Stress: Antriebsmotor oder Krankmacher?

04.11.2019

Vorschau: Gewerbe Region Frick-Laufenburg lädt zum Netzwerkanlass

Thema «Stressmanagement»

Arbeitsmediziner Dieter Kissling wird am Netzwerkanlass in Laufenburg das Thema «Stressmanagement» von verschiedenen Seiten her beleuchten. Im Gespräch mit der NFZ macht er deutlich, was Stress auslösen kann.

NFZ: Herr Kissling, Stress wird oft einseitig negativ besetzt. Ist es aber nicht vielmehr so, dass im Grunde genommen nur ein Ungleichgewicht von Anforderungen und Kompetenzen den negativen Stress auslöst?
Dieter Kissling: Ja, Stress entsteht aus dem Ungleichgewicht von Anforderungen und Kompetenzen. Häufig gehen die Anforderungen von mir selbst aus. Entscheidend ist jedoch, dass das Ungleichgewicht für mich bedeutsam ist. Wenn ich viele Dinge nicht erledigt habe und dies ist mir egal, entsteht mir kein Stress.

Arbeitsmediziner Dieter Kissling wird am Netzwerkanlass auch praktische Tipps für den Unternehmeralltag vermitteln.
Arbeitsmediziner Dieter Kissling wird am Netzwerkanlass auch praktische Tipps für den Unternehmeralltag vermitteln.

Kann kein Stress bei einem Arbeitnehmer aber nicht auch Unzufriedenheit auslösen?
Ich würde dies anders bezeichnen. Ich würde das Wort Stress mit Herausforderungen ersetzen, da Stress immer mit hormonellen Körperreaktionen verbunden ist, die langfristig Schäden setzen. Ich sehe oft Menschen, die sich in ihrer Arbeit nicht herausgefordert fühlen und dadurch ebenfalls unter Symptomen zu leiden beginnen. Landläufig wird dieser Zustand auch als Boreout bezeichnet – sich zu Tode langweilen.

Stress oder eben vielmehr Herausforderungen sind also auch ein positiver Motor, der uns dazu antreibt, an den gestellten Aufgaben zu wachsen und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen?
Grundsätzlich ist die Stressreaktion ein archaisches Verhaltensmuster, um bei Bedrohungen zu überleben. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit kurzfristig im Sinne des Einschaltens eines Turbos gesteigert. Werden die Stresssituationen häufig, kann ich mich nicht mehr dazwischen erholen, kommt es zu den negativen Folgen einer Stressfolgekrankheit.

Zur krankmachenden Seite von Stress gehört sicherlich der ständige Leistungsdruck bei der Arbeit. Andererseits aber auch die Freizeit, in welcher Familie, Freunde, Hobby, Haushalt sowie genügend Schlaf, der untergebracht werden sollte. Je mehr davon vernachlässigt wird, desto gestresster fühlt man sich. Das Hamsterrad dreht endlos. Wie kann es gestoppt werden?
Durch regelmässige Bewegung, genügend Schlaf, Entspannungstechniken durchführen, regelmässig Kurzpausen einfügen und sich selbst, aber auch anderen Grenzen setzen, das heisst lernen, nein zu sagen. Ganz zentral ist das üben und Erlernen von Gelassenheit. Leider tickt der Mensch so, dass er ausgerechnet in Stresszeiten die Stressbewältigungsmethoden nicht durchführt. Er bewegt sich nicht mehr, nimmt sich keine Zeit für Entspannung, schläft zu kurz, macht keine Pausen und ist von negativen Gedanken besetzt.

Waren früher Arbeit und Freizeit strikter voneinander getrennt als dies heute der Fall ist?
Ja, ganz eindeutig. Die Globalisierung durch die Zeitverschiebung hat zu einer 24 Stunden Erreichbarkeit geführt. Diese wird durch unsere technischen Errungenschaften wie Internet und Smartphone unterstützt. Wir sind jederzeit, überall und rund um die Uhr erreichbar.

Warum ist der übergang zwischen diesen Bereichen fliessend geworden und ist hier der Arbeitgeber schuld?
Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Es ist eine globale gesellschaftliche und technologische Entwicklung.

Dank Smartphones und Tablets sind wir rund um die Uhr und überall erreichbar. Ein weiterer Grund also, warum geregelte Arbeitszeiten an Bedeutung verlieren. Ein Mail vom Chef wird auch zu später Stunde noch beantwortet. Warum tun sich viele Arbeitnehmer schwer mit einer klaren Abgrenzung?
 Einerseits wegen ihres persönlichen Engagements, andererseits auch wegen einer Unternehmenskultur, die die Grenze von Arbeit und Freizeit nicht genügend akzeptiert. Es ist sicher nicht im Sinne der Unternehmer, dass Mitarbeiter unter dem Leistungsdruck zusammenbrechen.

Was kann der Arbeitgeber vorbeugend tun?
Zentrale Elemente sind Unternehmenskultur, Führungskultur und das Beziehungsklima im Unternehmen. Unternehmen tun gut daran, diese drei Aspekte gebührend gesundheitsförderlich zu hegen und pflegen.

Welche Modelle im Arbeitsalltag können auch zum Abbau von krankmachenden Faktoren beitragen?
Das gesundheitsförderliche Hochhalten der obengenannten Kulturaspekte im Unternehmen.

Am Netzwerkanlass in Frick gehen Sie auch auf den intelligenten Umgang mit Stress ein. Wie sieht dieser aus?
Individuell sind die bereits erwähnten Stressbewältigungsmethoden zu leben. Organisational soll das Unternehmen die kulturellen Aspekte wichtig nehmen.

Netzwerkanlass

Am diesjährigen Netzwerkanlass Dienstag, 5. November, 19 Uhr, in der Stadthalle Laufenburg, greift Dr. med. Dieter Kissling, Leiter vom ifa Institut für Arbeitsmedizin in Baden, das Thema «Stressmanagement » auf und gibt viele praktische Tipps für den Unternehmeralltag. Im anschliessenden Podiumsgespräch mit dem Fachexperten Dieter Kissling, Regierungsrat Alex Hürzeler und Vertretern von regionalen KMUs wird das Gehörte vertieft. Am Netzwerkanlass wird zudem im Bezirk Laufenburg das Jubiläum «125 Jahre Aargauischer Gewerbeverband» gefeiert. Beim Apéro mit musikalischer Unterhaltung besteht Gelegenheit, sich gegenseitig auszutauschen und das Netzwerk zu pflegen.

Text und Foto: Susanne Hört, NEUE FRICKTALER ZEITUNG


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